17 November, 2007

Tod eines "Fast-Beatnik-Abenteurers"

Am vergangenen Samstag starb der US-amerikanische Schriftsteller Norman Mailer. Er war einer der letzten der Generation der großen Nachkriegsschriftsteller des Landes. Bereits mit seinem Debütroman „Die Nackten und die Toten“ betrat er 1948 auch die internationale Literaturbühne. Bis zuletzt blieb er ein provokanter und streitbarer Geist, der sich nicht immer Freunde machte, sondern stark polarisierte. Viele Fehler sah er später selbst ein, aber er blieb seinen grundsätzlichen Idealen treu.




Seinen ersten Pulitzer-Preis gewann Norman Mailer für sein Buch „Armies of the Night“, „Heere der Nacht“. Darin beschreibt er in den Marsch auf den Pentagon im Oktober 1967. Tausende Demonstranten, viele von ihnen Hippies, wandten sich am Ende des Summer of Love gegen die Vietnamkriegspolitik der US-amerikanischen Regierung.

Auf die literarische Bühne war er bereits 1948 mit seinem Debütroman „Die Nackten und die Toten getreten. In diesem Antikriegsroman verarbeitete er seine Erfahrungen als Soldat im Pazifik. Er gilt bis heute als einer, wenn nicht der, wichtigsten Antikriegsromane des Jahrhunderts. Hier ist bereits ein zentrales Thema festgelegt, die Mailers Werk begleiten sollen. Er beschrieb weniger die Kampfhandlungen, als die psychische Disposition der Soldaten, die Zerrissenheit von Menschen in einer kalten, brutalen industrialisierten Gesellschaft, die als Ideale Freiheit und Selbstverwirklichung preist.

Mailer war 1923 in einer jüdischen Familie im New-Yorker Stadtteil Brooklyn groß geworden. Der Vater war Bekleidungshändler, nicht besonders geschäftstüchtig, aber äußerst stilvoll. Die Hosen im Haus hatte die Mutter an, deren Vater wiederum einer der wichtigsten Rabbies der Stadt war. Abgesehen davon, dass ihn die Mutter maßlos verwöhnt haben soll, zeigte er in der Schule herausragende Leistungen.

So wurde er bereits mit 16 Jahren an das Harvard College zugelassen, um Luftfahrtbau zu studieren. Das schloss er 1943 erfolgreich ab. Jedoch hatte er in dieser zeit die Literatur für sich entdeckt und war entschlossen, Schriftsteller zu werden. Bis zu seiner Einberufung ein Jahr später schrieb er an einem unveröffentlichten Roman und besuchte Schreibkurse. Dort lernte er nach eigenen Angaben, wie man es nicht machen soll.

Nach der Veröffentlichung seines Debütromans sollte er nie wieder unumstritten sein. Er ging zunächst mit einem Freund nach Hollywood, wo er als Drehbuchautor grandios scheiterte. Die darauffolgenden beiden Romane blieben weit hinter dem Erstling zurück.

Beeinflusst von der lebendigen und wegweisenden Kulturszene im New Yorker Greenwich Village, war er einer der Gründer der einflussreichen politischen Kulturzeitschrift „Village Voice“. Er bezeichnete sich selbst als „Fast-Beatnik-Abenteurer“. 1957 veröffentlichte er einen Schlüsseltext der aufstrebenden Popkultur, „The White Negro“, „Der weiße Neger“. Diese erschien zwei Jahre später in der Essay-Sammung „Advertisments for Myself“, „Werbung für mich selbst“. Diese setzte ihn wieder auf den Plan der Literaturszene und bewies, dass er keine Eintagsfliege war.

Mit den 60er Jahren war Mailers Zeit gekommen: Verhaltenskodexe änderten sich, neue sichtweisen setzten sich durch und er war mittendrin. Für Esquire und andere Publikationen kommentierte er als scharfer, meinungsfreudiger Beobachter die sozialpolitischen Umbruchsjahre. Ein Artikel über John Kennedy, „Superman Comes to the Supermarket“, soll sogar der Wahl Kennedys zum Präsidenten nachgeholfen haben. Selbst aktiv in der Anti-Vietnamkriegsbewegung, wurde sein Roman „Armies of the Night“ zu einem der besten Zeitzeugenberichte und Kommentare zu dem Thema. Er war einer der Mitbegründer des New Journalism-Stils, einer Verbindung von Tatsachenbericht und Erzählform des Romans.

Ende des Jahrzehnts wandte er sich auch wieder dem Film zu, wobei er sich am Stil Andy Warhols orientierte. Legendär wurde eine Szene aus „Maidenstone“, wo er dem Schauspieler Rip Torn in einem nicht inszenierten Zweikampf ein Stück Ohr abbiss. Mailer wurde immer wieder für seine vermeintliche Romantisierung von Gewalt angegriffen. Er war immer kampfeslustig, zumeist glücklicherweise verbal. So führte er mit Schriftstellerkollegen wie Gore Vidal legendäre Fehden, über die er sich profilierte. Betrunken ließ er sich jedoch auch gern auf physische Schlägereien ein, neigte zu häuslicher Gewalt und verletzte seine zweite Ehefrau einmal schwer mit einen Messer.

Der testosteronstrotzende Macho und wurde so zum klischeemäßiges Feindbild für die aufstrebende Frauenbewegung: sie betrachteten ihn als ein chauvinistisches Schwein. Mailer war niemand der klein bei gab und schoss zurück. Oft genug war er allerdings nur ratlos und verstand nicht, wo das Problem lag. Die prominente Frauenrechtlerin Gloria Steinem gab ihm bei einem Abendessen den Tipp: „Wenn du wissen willst, was die Frauen gegen dich haben, versuch doch einfach mal deine Bücher zu lesen.“ Als Reaktion auf die Angriffe erschien 1971 „Prisoner of Sex“, „Gefangener des Sexus“.

1979 gewann er mit dem Tatsacheroman „The Executioners Song“, „Gnadenlos“, seinen zweiten Pulitzer-Preis. Er sollte sein letzter großer Erfolg sein. Er schriebt hier über den ersten Verbrecher, der seit Wiedereinführung der Todesstrafe in den USA hingerichtet wurde, Gary Gilmore.

Mailer sah sich vor allem als Romanschreiber, musste sich jedoch sein nötiges Kleingeld mit journalistischer Arbeit und Sachbüchern wie Biografien über Pablo Picasso und Marilyn Monroe verdienen. Er hatte sechs Ex-Frauen und neun Kinder auszuhalten und war trotz des Erfolgs oft in finanziellen Schwierigkeiten. Jedoch frönte er ausgiebig dem Promi-Dasein, dass er als einer der ersten überhaupt für sich konzipiert, gesucht und gefunden hatte. So war er Dauergast in diversen Fernsehtalkshows

Bis zu seinem Tod blieb Mailer ein scharfer politischer Kommentator, der sich für Menschenrechte und gegen Kriege wie den Irakkrieg aussprach. 2005 übergab er sein privates Archiv für 2,5 Millionen Dollar an die Universität Texas. Zuletzt sorgte er mit seinem Roman „The Castle in the Forest“, „Das Schloss im Wald“ für Aufsehen. Hier brachte er in einer vage biografischen Beschreibung Hitlers Zeugung und Kindheit und das absolut Böse zusammen. In seinen letzten Tagen fand der ehemalige linke Atheist auch noch zu Gott, wenn auch nur bedingt zu einem christlichen. „Ich glaube an Reinkarnation,“ sagte er in einem seiner letzten Interviews „Allerdings nicht für jeden. Es ist eine Art Auszeichnung.“

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